Montag, 7. Januar 2013

257. tag

Ein anonymer Kommentar laesst mich wieder in die Vergangenheit blicken. Wie habe ich es in den ersten Tagen geschafft? Schwer zu sagen... Ich weiss aber noch genau, wie schwer es ist diese ersten Tage zu ueberwinden, da ist die Versuchung naemlich viel zu gross. Fuer mich gab es schon immer eine Art Drei-Tages-Grenze: darunter dachte ich mir immer, dass ich sowieso nichts erreicht hatte und durch einen erneuten Essanfall nichts kaputt machen wuerde.
Eines kann ich sagen: zu der Zeit war ich eher gluecklich. Die Uni war nicht stressig, ich habe viel mit Freunden gemacht. Sogar das Wetter hat glaube ich mitgemacht: ich kann mich an Fahrradfahrten bei Sonnenschein, im T-Shirt erinnern. Fuer mich hat das Setting immer eine grosse Rolle gespielt!
Der erste Tag war bei mir der Geburtstag einer sehr guten Freundin. An dem Tag war ich zum Kuchenessen bei ihr eingeladen und hatte davor einen kleinen Essanfall und hatte vor, zu erbrechen, aber ich habe mir gedacht: diesen Tag mache ich mir nicht kaputt! Und an dem Nachmittag hatte ich soviel Spass wie schon lange nicht mehr und wollte danach auch nicht mehr den Kuchen und co. erbrechen. Ich war einfach so gut drauf.
Es geht glaube ich darum, das, was das Leben einem bietet, positiv aufzunehmen und soviele Gruende wie moeglich zu finden, das eigene Leben als wertvoll zu sehen. Nicht unbedingt sich selber, sondern die Menschen, die einem taeglich Freude schenken, schoene Szenen und Landschaften. Selbstwertgefuehle zu haben, wenn man gerade mitten in der Bulimie steckt, ist fuer mich einfach utopisch.
Mir geht es gut, ich habe Weihnachten gut ueberstanden, trotz Stress und Streit und vielem Essen. Kalorien habe ich auch nicht gezaehlt und viel Bewegung konnte ich leider nicht haben, aber ich bin sehr gut damit klargekommen. Ich habe mich endlich getraut, manchen Familienmitgliedern meine Meinung zu sagen, ob das letztenendes gut war, weiss ich leider nicht. Aber fuer mich war es ein Erfolgserlebnis, mich zu trauen, auch, wenn ich mich danach streiten musste und einen Nachmittag geweint habe. Alles ist besser, als Gefuehle und Wut runterzuschlucken.
Mein neuer Freund ist toll. Ich habe Riesenspass mit ihm, aber ich habe auch gelernt, selbststaendig zu leben. Das heisst, mehr "Quality-time" mit ihm und weniger aneinander kleben. Er kocht viel, gut, aber auch sehr fettig, was mir aber drei- bis viermal die Woche nicht viel ausmacht. Ich will mir diese neue Beziehung nicht mit Essenswahn ruinieren, erstmal warte ich ab, ob das Essen ueberhaupt eine Auswirkung auf meine Figur hat. Denn ich schaffe es inzwischen auch, mein Essen langfristig zu regulieren: wenn ich bei einer Mahlzeit viel esse, werde ich zB abends nicht mehr viel essen, da ich keinen Hunger empfinde. Und frueher ging das nicht, denn ich habe aus Automatismus gegessen.
Jetzt kommt eine sehr schwere Zeit fuer mich, aber ich bin zuversichtlich, dass ich sie ueberstehen werde. Immerhin bin ich von tollen Menschen umgeben. Und ich habe nicht mehr den Anspruch, Hochleistungen zu erbringen, denn ich finde, dass mein (erstmal vorlauefiger) Sieg ueber die Bulimie eine super Leistung fuer mein ganzes Leben ist. Wenige Menschen wissen davon, also ist es auch eine Art innerer Schatz fuer mich :-)