Montag, 23. Januar 2012

277. tag

Das Ende eines Jahres rueckt immer naeher. Wie werde ich in nicht einmal 90 Tagen darauf zurueckblicken? Gut, hoffe ich. Dafuer muss sich aber wieder etwas aendern.
Wie ist meine letzte Woche verlaufen? Be******en, wenn ihr es wissen wollt. 11 Essanfaelle, davon 7 erbrochen. Nicht sehr gut, oder? Vor allem hilft es dann nicht sehr, wenn die restlichen auf dem Magen liegen bleiben und sich immer mehr Bauchspeck ansammelt. Aber das sind ja eigentlich die Spielregeln!
Ich habe gestern und heute sehr viel gegessen: grob geschaetzte 9000 Kalorien insgesamt. Gestern ging es mir dann auch wirklich schlecht, ich war einfach totmuede von dem vielen Essen. So sehr, dass ich auf Abfuehrmittel zurueckgreifen musste, um mich einigermassen besser zu fuehlen. Aber heute nicht. Wenn ich es durchhalte ist heute Tag 2. Ziemlich laecherlich klingt das, aber ich muss ja irgendwo wieder aufbauen.
In den letzten Tagen esse ich fuer ein "Nichts". Meine Freundinnen setzen sich nicht zu mich in der Mensa? Ich schwaenze den Uni-Nachmittag und sitze auf meinem Bett mit Fertigkuchen, Schokolade und Nutella. Mein Freund isst mal wieder ein bisschen zuviel? Ich sperre mich in mein Zimmer ein und futtere eine Packung Toast. Ich habe Angst, eine Klausur nicht zu schaffen, obwohl dies absolut unrealistisch ist? Ein Packung Nudeln mit Sahne! Und weiter geht's...
Ich hasse mich nicht dafuer, wie ich es frueher getan habe. Nein, ich habe Mitleid mit mir selber. Weil ich eigentlich nur ein armes Maedchen bin, das kein bisschen mit Gefuehlen umgehen kann. Und sich von der Bulimie auffressen laesst.
Ich kann euch sagen, es macht mich kein bisschen gluecklich. Nicht einmal entspannend ist das. Gar nichts. Nur habe ich davor in meinem Kopf immer diese Vorstellung von einem kuscheligen, leckeren, troestenden Essanfall. Letztendlich schmeckt mir die Haelfte der Sachen nicht und ich habe Schuldgefuehle.
Also warum mache ich weiter? Ist mein Gehirn immer noch so verschaltet, dass es auf diese Verhaltensweisen zurueckgreift? So wie Alkoholiker, die nie wieder ein Troepfchen trinken duerfen, weil sonst alles kaputt geht?
Ich will hier raus, doch es faellt mir so schwer!!!

Und eine Frage noch, falls jemand darueber Ahnung hat und sich melden moechte... Kennt ihr euch mit Homoeopathie aus? Ich gehe jetzt gleich in die Apotheke und schaue, was es da so gibt... Bericht kommt noch.

Montag, 16. Januar 2012

270. tag

Ich habe mehrere Sachen beschlossen, nachdem es so schief gelaufen ist.
1. Ich fange wieder von vorne an zu zaehlen. Die 200 Tage werde ich diesmal nicht erreicht haben, also werde ich es bei meinem zweiten Versuch schaffen (muessen). Heute ist also mein erster Tag ohne zu erbrechen.
2. Ich zaehle ab jetzt auch die Tage, an denen ich mich nicht ueberfresse.
3. Neues Punktesystem: kein Erbrechen = 0,5 Punkt und kein Erbrechen, kein Ueberfressen = 2 Punkte.
10 Punkte bringen mir eine  Belohnung. Bitte nicht lachen...
4. Sobald ich das wieder etwas im Griff habe, belohne ich mich fuer Tage, an denen ich kein bisschen auf Kalorien geachtet habe. Ich versuche zwar seit gestern mal wieder, keine Kalorien zu zaehlen. Es laueft solala, aber dafuer gibt es vielleicht auch eine Erklaerung...
5. Ich werde Fasten, im katholischen Sinn. Auf Zucker, Alkohol. Aber dazu auch (was ich sonst niemandem gesagt habe) auf Kalorien-Zaehlen und Koch-Blogs anschauen. Ich glaube, dass es eine gute Kombination fuer den Anfang ist: meine Obsession mit dem Essen loslassen und gleichzeitig Puffer einbringen mit einer gesunden Ernaehrung.

Sieht nach vielen Entschluessen aus, oder? Lasst mich das erklaeren...
Vorgestern habe ich ja "gefressen" und erbrochen. Was ich eigentlich nie wieder in meinem Leben machen wollte. Ich denke, ich muss diesen Rueckfall einfach akzeptieren und so schnell wie moeglich aus der Sucht-Situation wieder rauskommen. Denn ich habe Angst, wieder von vorne anfangen zu muessen und nicht mehr genug Kraft zu haben. Heute habe ich schon gemerkt, wie schwer es sein wird: nachdem ich mich vier Tage lang vollgestopft und einmal erbrochen habe, konnte ich heute nicht mehr in Ruhe spazieren gehen. Diese Entspannungsrunde, die ich mir so schwer aufgebaut hatte, habe ich heute ausgenutzt, um bei 3 verschiedenen Baeckern Croissants zu kaufen und sie beim laufen zu verschlingen. Bilanz: nach einem super reichhaltigen Mittagessen habe ich noch 2 Croissants und 1 Berliner gefuttert. Mal wieder nicht sehr stolz auf mich...
Aber gleichzeitig habe ich die weiteren 2 Croissants (ja, die hatte ich noch gekauft) nicht gegessen und werde nicht erbrechen. Und an der ersten Baeckerei bin ich vorbeigelaufen, weil ich noch stark war. Also heisst es, dass ich noch nicht so tief gesunken bin!

Das wichtigste ist aber, dass ich aus meinen Rueckfaellen mehr lernen kann, als aus den letzten Monaten. Ich habe zur Zeit eine Art Burn-Out, die sich durch akuten Schlafmangel und absoluter Scheu vor jeglicher Form der Muehe. Auf gut deutsch: ich kann nicht mehr. Es ist aber auch nicht so, dass ich sehr gut mit diesen Sachen umgehe und das ist glaube ich mein Problem. Anstatt mir Entspannung zu holen und die Sachen positiv zu betrachten, bilde ich mir weitere Sorgen ein.

Dieser Stress laesst sich auch durch diese Essens-Obsession bemerken. Das kenne ich bei mir seit langer Zeit, schon vor der Bulimie. Ich habe immer Hunger, vor allem auf "Trostessen". Ich verbringe Stunden damit, mir Rezepte anzuschauen, die ich nie kochen werde. Ich zaehle und zaehle und ueberpruefe Kalorien. Ich esse, ohne Hunger zu haben. Ich kann in meinem Kopf diese Thematik einfach nicht loslassen, was wirklich eine Form der Verbloedung ist. Wenn ich frustriert bin, esse ich alles, was ich finden kann, anstatt mich auszusprechen oder zu entspannen.

Ein Weg, der sich fuer mich gerade anbietet, ist, das alles einfach sein zu lassen. Es wird schwer sein, aber ich weiss, dass ich mir Gedanken ueber andere Themen machen kann. Es heisst aber auch, meinen Freund so sein zu lassen, wie er ist. Schauen, ob ich damit klar komme, aber nicht draengeln. Und mir wieder richtig Zeit fuer mich zu nehmen, die nichts mit Nahrung zu tun hat. Daher auch meine fuenf Punkte.

Wish me luck!!!

Samstag, 14. Januar 2012

269. tag

Versagen.
Heute, nach fast 200 Tagen, habe ich wieder erbrochen. Ich kann es noch nicht wirklich fassen, dass ich so weit gekommen bin. Und, dass es so leicht und schnell passierte.
Seit Mittwoch ging es bei mir nur noch den Bach runter: jeden Tag einen Essanfall, viele tausende Kalorien zuviel eingenommen. Und die Versuche, am naechsten Tag viel weniger zu essen, weil ich sowieso keinen Hunger hatte und kompensieren wollte. Was immer nachmittags schief gelaufen ist.
Gestern war es wieder das gleiche. Ich hatte mir mittags einen leckeren salat gemacht und habe mir dazu ein Broetchen gekauft. Es war nicht so, dass ich wirklich Hunger hatte. Abends sollten Freunde vorbeikommen, ein bisschen was essen und trinken. Ich wollte einen Kuchen backen, habe aus Faulheit fertigen Muerbteig gekauft. Ach ja, da gibt es immer Reste, wenn man den zurechtschneidet. Und von der Fuellung war auch noch zuviel. Und dann war das Brot im Schrank, das nach Butter und Honig geschrien hat. Und das Eis im Tiefkuehlfach, das sowieso weg musste. Und da war auch die dumme Nuss, die erst danach beschlossen hat, nicht zu erbrechen, sondern so zu tun, als haette sie nur "ein bisschen genascht", damit sie mit ihren Freunden weiter essen und feiern kann. Hat gut geklappt. Bis ich heute morgen die Kalorien gezaehlt habe. Jede Muehe der letzten Tage fuer die Katz'.
Was macht dann Klein-dumm-Lou? Sie isst weniger, hebt sich ein Broetchen fuer spaeter auf, richtig vorbildlich. Isst, wenn sie hungrig wird. Geht spazieren. Und schwuppsdiwupps ist sie im Supermarkt (jaja, sie muss sowieso fuer den Sonntag einkaufen). Haelt sich zurueck und hat ein schlechtes Gewissen, weil sie Bulimie-Essen kaufen wollte. Macht sich einen coolen, ausgewogenen Essensplan. Aber im  Hinterkopf weiss sie, dass zuhause einiges da ist. Genau das macht sie: stopft sich wieder mit Brot, Knusper-Muesli, Quark, Nutella, Schokolade, Keksen und Milchreis voll. Und schwankt: erbrechen? Wenn der Freund so lieb ist, zu kochen und man schon soviele Kalorien auf dem Gewissen hat, dann auf jeden Fall, ja!
Zur Verteidigung der dummen Nuss: sie kann nicht mehr. Es war zuviel Spannung in den letzten Tagen. Zuviel des Kalorien-Zaehlen und -Nachzaehlen. Zuviel Enttaueschungen von Freunden. Zuviel Streit mit dem Freund. Zuviel Stress im Studium.
Oder ist es nur Einbildung? Koennte meine einzige Stress-Ursache die Bulimie und ihre Rueckfall-Gefahr sein? Bin ich wieder in diese Essensfixation gesunken?
Ich fuehle mich einsam.




Donnerstag, 12. Januar 2012

267. tag

Hilfe. Enttaueschung. Hilfe.
Die letzten Tage waren richtig hart fuer mich. Gibt es so etwas, wie eine "Versuchungs-Zeit" nach 6 Monaten eines eher einfachen cleanen Lebens? Den Eindruck habe ich zumindest. Ich habe so oft geschrieben, dass mir das Durchhalten nach einiger Zeit so viel leichter faellt, dass ich sogar keine Lust mehr habe, riesige Mengen an Essen einzunehmen.
Ha! Die Bulimie scheint mich eines besseren belehren zu wollen! Dieses ueberhebliche Maedchen da, das denkt, es koennte mich so leicht loswerden, dem werde ich zeigen, was Entzug ist. Denkt sie sich warscheinlich, wenn ich mir die Bulimie als Person vorstelle.
Letzte Woche habe ich schon so einen Tag gehabt. Dann habe ich durch gesunde, ruhige Tage mit wertvollerem Essen und mehr Bewegung kompensiert. Alles prima gelaufen, keine Probleme, ich habe mir auch anderes gegoennt. Bis die Uni wieder angefangen hat... Und damit auch die Lust, zum naechsten Baecker zu fahren und dort alle suessen Teile zu kaufen. Und die Kekse und co., die ich noch in meinem Zimmer versteckt hatte. Weil ich nicht zugeben wollte, sie gekauft zu haben und sie "irgendwann" wegschmeissen sollte.
Gestern habe ich eine Packung Cookies, eine halbe Tuete Nougat-Cereals und Brot verschlungen. Habe mich bei meinem Freund ausgeweint, bin mit ihm spazieren gegangen und habe abends nur noch eine Gemuese-Suppe gegessen, weil mein Bauch sowieso schon so voll war. Und letztendlich alles weggeschmissen, was fuer mich eine Versuchung darstellte. Nicht erbrochen.
Heute normal angefangen, normal gegessen. Ein bisschen Stress gehabt und zuhause 3 Broetchen, eine Packung Quark mit Marmelade, Milchreis mit Kokosraspeln und Schokolade und zuletzt eine halb Dose fertigen Nudelsalat gegessen. Viel zuviel, es schmeckt irgendwann auch nicht mehr und mein Bauch ist ordentlich aufgeblaeht. Doch irgendwo in mir schreit es nach mehr. An einem anderen Ort schreit es vor Angst, zu erbrechen. Super Stimmung.
Meinem Freund mache ich wieder das Leben zur Hoelle. Er isst nicht gesund genug, ist zu fett, ist mir zu gammelig. Und ich schaffe es sogar, ihm ins Gesicht zu schmeissen, dass ich ihn im Moment nicht attraktiv finde. Haha, ausgerechnet ich, nachdem ich soviel gegessen habe. Und er aergert sich 10 Minuten lang und ist dann fuer mich da.
Heute bin ich wirklich ein boeser Mensch und mache mich deswegen weiter kaputt.
Ich hoffe, dass ich schnell triumphierend da rauskomme...


Donnerstag, 5. Januar 2012

260. tag

Gestern waren es genau sechs Monate ohne Erbrechen. Und heute waere es fast schief gelaufen. Wie ich es schon erwaehnt habe, war es fuer mich waehrend der letzten Tage sehr schwer, einen Essanfall zu vermeiden. Ich habe es bis heute geschafft, doch dann hatte ich wieder Streit mit meinem Freund, das Wetter war schlecht und ich war muede. Naja, so ganz eindeutig ist das auch nicht...
Eigentlich sollte ich zu einem Treffen eines Hilfswerks gehen, bei dem ich mitmachen. Ich sollte sogar fuer einen Freund einspringen, der gerade eine schwere Grippe hat. Doch nach dem Streit wollte ich nur noch in meinem Bett sein und mich vollessen. Beziehungsweise, es hatte schon davor angefangen und mein Freund hat mich durch seine Ankunft in die Wohnung erstmal daran gehindert.
Jetzt schaeme ich mich, weil ich mich vielleicht nur deshalb mit ihm gestritten habe, weil es mir sowieso schlecht ging und ich einen Vorwand fuer einen Essanfall brauchte. Koennte ja auch sein...
Ich bin zuerst aus dem Haus gegangen, weil ich nur nicht anfangen wollte, diese Kekse zu essen, die ich in meinem Zimmer vor meinem Freund versteckt hatte. Dann hat dieses schreckliche Schwanken, das ich vor frueher so gut kenne, wieder angefangen. Kurz vor dem Treffen habe ich mich dann auch krank gemeldet. Bin zurueck nach Hause gefahren, habe auf dem Weg bei dem Baecker gehalten und mir fuenf Broetchen und einen Kirschstreusel gekauft. Und habe mir ueberlegt, was ich sonst noch in der Kueche finden koennte und welchen Film ich schauen wuerde.
Es ist so weit gekommen, dass ich die fuenf Broetchen mit Butter und Nutella (das kennt ihr schon irgendwo her, oder???) und 30 Minuten von "Tatsaechlich Liebe" geschaut habe. Nicht gerade der richtige Film, wenn das Herz sowieso schon wehtut, oder?
Und irgendwas hat mich dann davon abgehalten, den Rest zu essen. Ich bin wieder zu meinem Freund gegangen, habe ihm meine ewigen Vorwuerfe gemacht, wir haben uns schrecklich gestritten und haben wieder geweint. Ich wollte auch nicht erbrechen.
Soviel erzaehlt, kurz gefasst: ich hatte heute seit Mitte September zum ersten Mal wieder einen Essanfall. Und ich kann euch sagen, dass ich nicht sehr gluecklich darueber bin, auch nicht sehr stolz.
Bin ich denn schon bereit, mit meiner Therapie aufzuhoeren?


Montag, 2. Januar 2012

257. tag

Vorgestern habe ich die 180 Tage erreicht. Ich bin mit guten Freunden ins neue Jahr gerutscht, habe wieder leckere Sachen gegessen, ohne mir da grosse Sorgen zu machen, ob ich zunehmen werde.
Ich wollte heute ein Gedicht posten, dass mir sehr geholfen hat. Vielleicht kennt ihr den Film Invictus, daher kenne ich es. Es geht darum, dass das Allerwichtigste die eigene Willensstaerke ist, so sehe ich es fuer mich zumindest. Mir hilft es heute immer noch in schwierigen Situationen oder im alltaeglichen, kleinkraemlichen Aerger mein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Ich will nie wieder so weit gehen, dass ich mich "einfach so" mit Essen vollstopfe, bis es schmerzt und dann wie ein Zombie zur Toilette laufe und mir dort die Finger in den Hals stecke. Ich will nie wieder mein eigenes Opfer sein und gleichzeitig abhaengig von diesem Ess-/Brechrythmus sein. So gross die Versuchung oft sein mag, ich will es einfach nie wieder, weil es mir trotz allen Nervenzusammenbruechen besser geht als vor einem Jahr.
Und hier das Gedicht:

Invictus (Unbezwungen) 

William Ernest Hembley

Aus dieser Nacht, die mich umhüllt,
von Pol zu Pol schwarz wie das Grab,
dank ich welch immer Gottes Bild
die unbezwung'ne Seel mir gab.
Wenn grausam war des Lebens Fahrt,
habt ihr nie zucken, schrein mich sehn!
Des Schicksals Knüppel schlug mich hart -
mein blut'ger Kopf blieb aufrecht stehn!
Ob zornerfüllt, ob tränenvoll,
ob Jenseitsschrecken schon begann:
das Grauen meines Alters soll
mich furchtlos finden, jetzt und dann.
Was kümmert's, daß der Himmel fern
und daß von Straf' mein Buch erzähl',
ICH bin der Herr von meinem Stern,
ICH bin der Meister meiner Seel'! 
 
Eine Eiche als Symbol der Kraft